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Hi, ich möchte hier einen kleinen Ausschnitt
einer Diskussion zwischen mir und einem Freund bringen:
OS: "... aber die Realität ist nicht greifbar!"
FR: "Wieso das denn nicht? Wenn ich zu
dir sage das dort ein Glas auf dem Tisch steht, dann sprechen
wir doch von einem realen Gegenstand, oder nicht?"
OS: "Nein, du sprichst von einem Teilaspekt
der Realität aus deiner Sicht, und ich von einem Teilaspekt aus
meiner Sicht. Das ist alleine schon durch die unterschiedlichen
Betrachtungswinkel bedingt nicht das selbe. Wenn ich jetzt noch
eine Sehschwäche hätte, dann würde ich etwas völlig anderes sehen
als du!"
FR: "O.k., aber das Glas ist meßbar und
demnach genau definierbar!"
OS: "Das glaube ich eher nicht. Wie genau
willst du das Glas "vermessen"? Um so genauer du das Glas vermißt,
desto ungenauer werden deine Ergebnisse sein. Wenn du dann irgendwann
auf atomarer Ebene angelangt bist wird's noch ungenauer. Wie du
weist ist das Glas keine starre Masse, sondern besteht eigentlich
aus umherschwirrenden Atomen und Elektronen. Um ganz genau zu
sein, besteht auf dieser Ebene das Glas überwiegend aus Nichts,
weil die leeren Zwischenräume weit mehr des Volumens ausmachen
als die eigentlichen Atome. Von Quarks und ähnlichem will ich
gar nicht erst anfangen."
FR: "Aber wir WISSEN doch beide worüber
wir hier gerade sprechen!"
OS: "Ja sicher. Aber deshalb ist das noch
lange nicht real. Wenn du sagst, daß für dich Realität das ist
was du wahr nimmst, dann ist das völlig ok. Wenn ich aber von
Realität spreche, meine ich die Gesamtheit aller möglichen Informationen
über dieses Glas. Selbst wenn ich das Glas nur mit den Mitteln
meiner Wahrnehmung in seiner Gesamtheit wahrnehmen möchte, ist
das schier unmöglich. Ich müßte es zeitgleich sehen, fühlen, riechen,
schmecken und sogar hören!"
FR: "Wieso hören?"
OS: "Weil das Glas ja nicht für sich alleine
steht. Es "interagiert" ja mit seiner Umwelt, reagiert also auf
Schwingungen. Schon deshalb ist in jedem Moment das gleiche Glas
niemals das selbe Glas. Es verändert ja immerzu seine Gestalt,
auch wenn wir es nicht sofort wahrnehmen. Eine Frage: Ist ein
Glas wenn es kalt ist immer noch das selbe Glas wenn es warm ist?"
FR: "Ehm... Ja eigentlich schon. Es hat
ja immer noch die gleiche Form... ach ne, wenn es warm ist, dehnt
es sich ja aus, ist also größer als im kalten Zustand. Also ändert
sich nicht nur die Temperatur, sondern auch die Form!"
OS: "Genau! Und zusätzlich hört es sich
auch anders an!"
FR: "Schon klar: andere Form, anderes Klangbild!"
OS: "Genau. Wenn Du jetzt davon ausgehst
das das Glas niemals die selbe Temperatur hat wie im Moment davor,
wie kannst du vom selben Glas sprechen?"
FR: "O.k. Ich gebe mich geschlagen. Unsere
Umwelt, also meine Realität entsteht erst in meinem Kopf und durch
das Weglassen von Informationen."
OS: "Das ist es was ich meine. Wenn ich
also von subjektiver Realität spreche, meine ich damit unsere
Wahrnehmung. Selbst Wissenschaftler die den Dingen ganz genau
auf den Grund gehen, erkunden lediglich eine subjektive Realität,
auch wenn sie versuchen diese subjektive Realität auf einen gemeinsamen
Nenner zu bringen, nennen wir sie objektive Realität. Die wahre
Realität ist nicht wirklich zu erfassen, weil uns dazu einfach
die Mittel fehlen. Solange wir also körperlich sind, wird die
wahre Realität für uns verborgen bleiben, weil wir immer eine
relative Position einnehmen."
FR: "Aber wie könnte man sich dann die
wahre Realität vorstellen?"
OS: "Naja, wenn ich das könnte, müßtest
du mich Gott nennen. Aber Spaß beiseite. Als erstes müßtest du
dich vom Gedanken des Raums und der Zeit lösen."
FR: "Was, wieso das denn?"
OS: "Raum und Zeit entstehen erst, wenn
du eine relative Position zur Gesamtheit beziehst. Wenn du aber
eine relative Position beziehst, dann hast du auch eine Perspektive
und das würde dich daran hindern alle Informationen auf einmal
wahrzunehmen."
FR: "Ich müßte überall und immer sein?"
OS: "Ja. Klingt nach Gott, oder?"
FR: "Vielleicht ist Gott das einzig wahre
Reale in unserer Welt."
OS: "Du weißt das ich nichts davon halte
so etwas wie Gott anzunehmen. Aber wenn es so etwas wie Gott gibt,
dann ist es ihm wahrscheinlich kaum möglich uns wahrzunehmen."
FR: "Schon klar, er müßte ja Position beziehen
und würde dabei seine Eigenschaften als Gott verlieren."
OS: "Vielleicht, aber das ist ein anderes
Thema..."
So, oder so ähnlich ;-) hat diese Diskussion
stattgefunden. Mein Freund ist sehr gläubig und kommt bei fast
jeder Diskussion auf Gott als Lösung. Aber die Frage die sich
mir stellt ist, ob wir nicht einen grundsätzlichen Fehler begehen,
wenn wir versuchen, das was wir wahrnehmen als Hinweis auf die
Eigenschaften der Realität anzunehmen. Vielleicht sollten wir
eher versuchen andere Wege zu finden um die Realität zu verstehen.
Die Wissenschaft versucht immer alles in Einklang mit dem zu bringen,
was wir beobachten. Wenn unsere Beobachtungen aber schon auf grundsätzlichen
Fehlinterpretationen beruhen, dann werden wir nie zur wahren Realität
finden.
OS
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